Wie ein „Date“ von Immunzellen Rheuma verschwinden lässt
Erlanger Team entwickelt neues Behandlungsprinzip gegen Autoimmunerkrankungen
Verabredungen verlaufen nicht immer so, wie man es sich wünscht. Aus dieser Erkenntnis heraus haben Medizinerinnen und Mediziner des Uniklinikums Erlangen einen neuen Therapieansatz gegen Autoimmunerkrankungen entwickelt. Sie brachten dazu zwei Sorten von Immunzellen, B- und T-Zellen, an einen Tisch – mit dem Ergebnis, dass die T-Zelle die B-Zelle umbrachte. Organisator dieses „Dates“ mit dramatischem Ausgang war ein Medikament namens Blinatumomab. Durch den Tod der krankmachenden B-Zellen konnte dabei eine schwere Autoimmunerkrankung, die rheumatoide Arthritis („Rheuma“), zum Verschwinden gebracht werden. Die Ergebnisse erschienen jetzt in der renommierten Fachzeitschrift Nature Medicine.
Normalerweise spielen sowohl B-Zellen als auch T-Zellen eine zentrale Rolle in der Entstehung von Autoimmunerkrankungen. Das Erlanger Team konnte nun durch einen Trick die T-Zellen dazu bringen, ihre Komplizen, die B-Zellen, abzutöten. So konnten sie einen durchschlagenden Erfolg bei der Behandlung der rheumatoiden Arthritis erzielen.
Neue Therapieoption für Patientinnen und Patienten erprobt
Rund einer von 100 Menschen entwickelt im Laufe des Lebens diese Erkrankung. „Die Behandlungsmöglichkeiten sind heute grundsätzlich gut, dennoch gelingt es nicht bei allen Betroffenen, die Krankheit zum Stillstand zu bringen“, betont Dr. Melanie Hagen, leitende Ärztin der Studienambulanz der Medizinischen Klinik 3 – Rheumatologie und Immunologie des Uniklinikums Erlangen. „Etwa 10 bis 20 Prozent sprechen auf die verfügbaren Therapien nicht ausreichend an.“ Dr. Hagen ist Teil eines Teams von Ärztinnen und Ärzten des Uniklinikums Erlangen, welche für diese Patientinnen und Patienten ein neues Behandlungsverfahren erprobt haben. Dazu nutzen die Medizinerinnen und Mediziner ein Medikament namens Blinatumomab, kurz BLINA. Dabei handelt es sich um einen Antikörper, der – wie jeder andere Antikörper auch – zwei Arme hat. Bei BLINA bindet ein Arm an die B-Zelle, der andere an die T-Zelle.
BLINA wirkt also wie ein „Tinder-Molekül“: Der Wirkstoff vermittelt ein „Date“ zwischen B- und T-Zellen, indem er die beiden zusammenbringt. „Dieses Date verläuft jedoch keineswegs harmonisch“, erklärt Dr. Laura Bucci, die die Studie zusammen mit Melanie Hagen durchgeführt hat. „Im Gegenteil, in seinem Verlauf bringt die T-Zelle die B-Zelle um.“ Für die B-Zelle ist das wenig erfreulich, für Patientinnen und Patienten mit Rheuma und anderen Autoimmunerkrankungen jedoch ein Segen. Denn B-Zellen sind ganz wesentlich für diese Erkrankungen verantwortlich, da sie krankmachende Antikörper produzieren und somit Entzündungen auslösen.
B-Zellen wurden schon früher durch Medikamente gehemmt, um etwa Autoimmunerkrankungen wie Rheuma zu behandeln. Allerdings klappte das bei bisherigen Therapien nur unzureichend. Unter Zuhilfenahme der T-Zellen ist die Hemmung der B-Zellen ungleich stärker. Dieses Prinzip wurde bereits zur Behandlung von Blutkrebs angewandt, der durch bösartige B-Zellen entsteht.
Verblüffender Effekt bei Therapieresistenz
BLINA schafft es, B-Zellen zu finden, die sich tief im Gewebe verstecken. Durch das Medikament gelangen daher auch sie mit den tödlichen T-Zellen in Kontakt. „Der Effekt war verblüffend“, erklärt Prof. Dr. Ricardo Grieshaber-Bouyer, leitender Arzt der Studienambulanz und Forschungsgruppenleiter. „Selbst bei sehr therapieresistentem Rheuma kam es zu einem Zusammenbruch der Entzündungsreaktion und zu einer deutlichen Besserung der Erkrankung. Damit geben die Ergebnisse unserer Studie einen wichtigen Impuls für die Weiterentwicklung dieser Therapien gegen verschiedene Autoimmunerkrankungen.“
Weitere Informationen:
Dr. Melanie Hagen
09131 85-33369
melanie.hagen(at)uk-erlangen.de
Quelle: uni | mediendienst | forschung Nr. 46/2024