Myasthenia gravis

Die Myasthenia gravis, auch schwere Muskelschwäche genannt, ist eine entzündliche neuromuskuläre Autoimmunerkrankung, bei der die Kommunikation zwischen Nerven und Muskeln gehemmt ist. Dabei blockieren Antikörper die Übertragung von Reizen an der Schnittstelle zwischen Nerv und Muskel, der sogenannten neuromuskulären Endplatte. Die Reize werden von den Muskeln nur schwach oder gar nicht wahrgenommen. Dadurch kommt es zur belastungsabhängigen Muskelschwäche, die alle Skelettmuskeln betreffen kann. Sie verstärkt sich typischerweise im Laufe des Tages. Bewegungen werden dabei weniger präzise und kraftvoll ausgeführt. Wird die Erkrankung nicht behandelt, verstärkt sich die Muskelschwäche und es kommt zu Muskelschwund, was im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung lebensbedrohlich sein kann.

Normalerweise kann die Erkrankung in jedem Lebensalter auftreten. Jedoch kommt sie bei Frauen vermehrt im Alter von 20 bis 40 Jahren vor und bei Männern hauptsächlich im Alter von 50 bis 80 Jahren. Selten beginnt die Erkrankung im frühen Kindesalter.

Experten gehen davon aus, dass in Deutschland rund 15 von 100.000 Menschen von dieser entzündlichen neuromuskulären Autoimmunerkrankung betroffen sind.

 

Wissenschaftler vermuten einen Zusammenhang zwischen der Autoimmunerkrankung und krankhaften Veränderungen des Thymus, auch Bries oder Thymusdrüse genannt. Im Knochenmark und im Thymus entwickelt sich das Immunsystem und reift in der Kindheit und Jugendzeit heran.

In diesem Organ, das sich oberhalb des Herzbeutels im Mittelfell befindet und vom Ansatz der Schlüsselbeine bis zum vierten Rippenpaar reicht, erhalten die sogenannten Lymphozyten ihre immunologische Prägung und Selektion. Ebenso wird hier durch Thymushormone die Ausreifung von T-Zellen stimuliert, die in unserem Immunsystem eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von Krankheitserregern einnehmen. Allerdings ist die Thymusdrüse nur in der Kinder- und Jugendzeit aktiv. Nach der Prägung und Selektion bleiben T-Lymphozyten übrig, die gelernt haben, durch Erkennen von Oberflächenstrukturen körperfremdes von körpereigenem Gewebe zu unterschieden. So können sie später Parasiten, Bakterien, Tumorzellen oder Viren identifizieren und angreifen.

Bei der schweren Muskelschwäche werden im Körper Eiweißstoffe, sog. Antikörper, gebildet. Sie hemmen die Bindung des Neurotransmitters Acetylcholin an seinem Rezeptor auf der Muskulatur.

70 % der Betroffenen zeigen im Thymus eine gesteigerte Aktivität, eine sogenannte Thymitis. Bei ca. 10 % der Betroffenen liegt ein Tumor im Thymus vor, der auch Thymom genannt wird.

Zu den Faktoren, die die Ausprägung der Symptomatik beeinflussen zählen u.a. Infekte, Umwelteinflüsse, psychische und seelische Belastungen, Entzündungen und bestehende Erkrankungen.

Ein Zusammenhang mit diesen Faktoren ist jedoch noch nicht abschließend geklärt.


 

Die Symptome der entzündlichen neuromuskulären Autoimmunerkrankung können sehr vielfältig sein und treten von Patient zu Patient unterschiedlich in Erscheinung. Jedoch nehmen die Symptome bei allen Patienten häufig mit steigender Belastung zu und verstärken sich im Tagesverlauf zum Abend hin.

Zu den häufigsten Beschwerden zählen Doppelbilder aufgrund einer belastungsabhängigen Schwäche der Augenmuskulatur, Lidheberschwäche und hängende Augenlider. Sind hierbei nur die äußeren Augenmuskeln betroffen, wird von einer okulären Myasthenie gesprochen.


Daneben treten häufig auch Schluck- und Sprachstörungen durch eine Schwäche der Rachenmuskulatur auf. Ist hierbei die Atem- und Rachenmuskulatur betroffen, besteht ein erhöhtes Risiko für eine myasthene Krise, bei der die Betroffenen durch eine schwere Schluckstörung und Atemlähmung lebensbedrohlich gefährdet sind. Die myasthene Krise kann durch akute Infekte, eine unzureichende Behandlung oder bestimmte Medikamente ausgelöst werden.


Oft tritt bei Patienten auch eine Störung der Atmung auf, was sich durch häufiges Zwischenatmen beim Sprechen bemerkbar macht. Viele Betroffene berichten ebenfalls von Schwierigkeiten beim Kauen von zähen oder harten Speisen. Auch eine Erschöpfung der betroffenen Muskeln nach der Belastung ist häufig anzutreffen.

Bei Patienten, bei denen alle Skelettmuskeln beteiligt sind, spricht man von einer sogenannten generalisierten Myasthenie.
 

Die Erkrankung ist zwar nicht heilbar, es existieren jedoch medikamentöse Therapien, die durch eine Verbesserung der Signalübertragung zwischen Nerv und Muskel die Symptome der Erkrankung lindern können. Gleichzeitig können sie den Verlauf der Erkrankung günstig beeinflussen. Am Deutschen Zentrum Immuntherapie kann die Erkrankung in interdisziplinärere Zusammenarbeit mit den beteiligten Kliniken zudem mittels Immuntherapie behandelt werden. Bei dieser kommen spezielle Immuntherapeutika zum Einsatz, die die Bildung schädigender Antikörper unterdrücken.

Lässt sich jedoch ein Thymustumor nachweisen, reicht eine medikamentöse Therapie allein meist nicht mehr aus und eine Operation wird notwendig.

Wird die entzündlich neuromuskuläre Autoimmunerkrankung dagegen frühzeitig erkannt und behandelt, können Betroffene mithilfe einer medikamentösen Therapie ein nahezu unbeeinträchtigtes Leben führen. Hierfür stehen stehen verschiedene Wirkstoffe zur Verfügung:

Kortison
Kortison zählt zu den Standardtherapeutika. Mit dem körpereigenen Hormon wird die Überaktivität des Immunsystems gedämpft.

Immunsuppressiva
Sie werden eingesetzt, um die Neubildung von Antikörpern zu bremsen. Sie haben in der Regel während einer Langzeitbehandlung weniger starke Nebenwirkungen als Kortison. Der Behandlungserfolg tritt mit diesen Medikamenten jedoch erst mit einer gewissen Verzögerung ein.

Acetylcholinesterasehemmer
Mit diesem Wirkstoff wird der Abbau des Botenstoffes Acetylcholin gebremst und damit die Reizübertragung von den Nerven zu den Muskeln verbessert.

Biologika
Neuartige monoklonale Antikörper wie Rituximab und Eculizumab, greifen spezifisch in den Krankheitsprozess ein und können das Krankheitsgeschehen in bestimmten Konstellationen nachhaltig positiv zu beeinflussen.

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